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Schreiben 5.Teil




 

 

"Nach der Wende in Meckpomm"

Eine Dorfstrasse hoch und runter

 

Erzählung

über die Bewohner

eines ganz gewöhnlichen Dorfes

    Auszug


Es war die Zeit als ich noch ein Bankkonto führen durfte und es mir unschädlich gestattet war, offiziell  für meine Altersvorsorge Verantwortung zu tragen. Im Falle meines Todes würden meine Kinder nicht binnen kürzester Frist amtlich von einem  Unheil bringenden Erbe zurücktreten müssen. Kurz, ich war gewissermaßen noch ein vollwertiger und angesehener Bürger eines Staates.
Zumindest hatte ich ein diesbezügliches Gefühl, wenn es auch zu dem Zeitpunkt bereits mit Sicherheit eine unangenehme, belastende Akte über mich gab. Ich war nämlich in meiner Jugend einst ein Auswanderungsantragssteller. Ein bewusster und treuer Staatsbürger der DDR begehrte nicht zum Klassenfeind in das NSW oder gar in die BRD, in das Land der Bonner Ultras auszuwandern. Ich war mir dessen bewusst, tat es aber aus vielerlei Gründen dennoch. Mein Klassenstandpunkt war wohl  nicht gefestigt genug, wie es so schön hieß. Ich hatte nur den Wunsch, mit meiner Familie einen Versuch des Neuanfangs in einem anderen Land zu wagen. Ich glaubte an keine großen Perspektiven in der DDR, zumindest, was unsere Lebensqualität betraf, sah es schlecht aus. Nein, es ging nicht um Leben und Tod, es war nur der Drang nach besseren, anderen und neuen Möglichkeiten zu suchen. Ob ich sie damals gefunden hätte, wer weiß das schon. Vielleicht wäre es mir auch furchtbar schlecht ergangen, dann hätte man weiterziehen müssen. Ist es nicht normal, wenn sich der Mensch dahin bewegt, wo es ihm am günstigsten zu leben erscheint? Es ist doch sein Risiko, wenn es in die Hose geht. Nun, die Sache hat nicht geklappt. Man ließ meine Familie nicht los. Der Antrag wurde abgelehnt. Eine Flucht war für mich wegen der hohen Risiken indiskutabel. Es wäre meinem Kind gegenüber unverantwortlich. Zu gefährlich insgesamt, ich bin nicht sehr mutig. Also blieben wir notgedrungen im ungeliebten Regime. Man musste sich arrangieren, es gab keinen anderen Weg. Damit war kein unfassbares Leid verbunden oder gar unsagbare Trauer, nur eine sich immer mehr ausbreitende Resignation. Das Leben war nicht spannend, es war anstrengend aber erträglich. Es war vorgezeichnet. Alle Wege waren vorherbestimmt und sicher. Das klingt biblisch, war es aber nicht, weiß Gott nicht, obwohl die Diktatur gottgleich war. Alles hatte nur einen anderen Namen und zeigte sich in unchristlichem Gewande. Der Sozialismus hat mich nicht unglücklich gemacht, aber auch nicht glücklich. Ich scheiterte an den Menschen. Mir sind die falschen Menschen begegnet oder ich war nicht die Richtige. Es lag nicht am Regime. Das kann immer und überall passieren. Es ist nichts Besonderes. Es geschieht täglich auf der ganzen Welt unter jeder Herrschaft. Private menschliche Desaster haben nichts mit der großen Staatspolitik zu tun. Es ist ein Irrglaube, dass man in der so genannten freien Demokratie glücklicher in einer Partnerschaft lebt. Wenn man in einer Diktatur nicht dazu fähig war, ist die Flucht in einen demokratischen Staat kein Mittel um zwischenmenschliche, gescheiterte Beziehungen zu retten, so nach dem Motto: sind wir frei, wird alles gut. Leider war ich diesem Irrglauben erlegen. Wie dumm und folgenschwer. Meine Akte gehört aber nun der Vergangenheit an. Sie ist nicht mehr von Bedeutung. Man ließ mich leben und arbeiten. Ich hatte Glück. Irgendwie ging das, wenn auch das Glück sich gewissermaßen in Grenzen hielt. Die DDR starb ihren langsamen Tod, kaum einer bemerkte wie nahe das Ende war. Man war an alles zu sehr gewöhnt als dass sich eine abrupte Wende vorstellen lies. Sie war in fast allen Köpfen einfach undenkbar. Doch es gab sehr viele mutige Menschen, die dem Kartenhaus den unweigerlichen Schubs gaben. Es fiel in sich zusammen. Dass nicht geschossen wurde, ist immer noch sehr verwunderlich und tatsächlich ein ganz großes Glück für alle. Wie leicht hätte ein großer Krieg entstehen können.

Auf einmal war nichts mehr sicher. Es gab keine vorgezeichneten Wege. Es gab gar keine Wege. Wir mussten durch das Dickicht mühsam einen Pfad schlagen, wohin auch immer. Viele waren nicht so gut im Schlagen. Sie bleiben auf der Strecke, bis zum heutigen Tag. Sie leben schlechter als vorher. Sie sind verbittert und verhalten sich entsprechend, nämlich dem Neuen gegenüber unaufgeschlossen und grundsätzlich misstrauisch, meist negativ. Für sie ist faktisch das Leben gelaufen, sie können nichts tun, zumindest glauben sie das. So leben sie total verbiestert im Gestern in ihren allmählich sterbenden Dörfern und Kleinstädten. Das ist traurig.

Es trat nun das  ein, was viele Menschen immer wollen, auch ich. Wir bestimmen fortan, wohin wir wandern möchten. Leider hatten wir uns aus langem Mangel an Hoffnung, was eine mögliche Wende betraf, die vorher so notwendigen, vorbereitenden Träume nicht gestattet. So waren die Ziele reichlich unklar. Wir hatten unsere Flexibilität, auch die der Gedanken, weitestgehend eingebüßt. Das war bitter. So nahmen wir scheinbar nahe Liegendes in Angriff, vernachlässigten die Weitsicht, wir hatten sie ohnehin kaum, und wanderten aufs Gratewohl. Das war sehr abenteuerlich. Jetzt war wieder Mut gefragt, Mut um für das eigene Leben zu kämpfen, und um das Überleben in einer neuen Gesellschaft, die uns so fremd war in ihren Mechanismen. Wir hatten im Sozialismus das Kämpfen so nicht gelernt. Wir wussten wohl wie man aus Scheiße Bonbons macht, wir hatten unendliche Geduld, wir verstanden anzustehen und wir waren Meister im Verzichten. Worauf wir alles verzichten mussten, wussten wir im Einzelnen gar nicht. Das war auch irgendwie gut. Ganz abgestumpft und verblödet waren wir allerdings auch nicht, schließlich „genossen“ wir heimlich auch das Westfernsehen mit seiner tollen Werbung für die für uns auch begehrenswerten Artikel. Und dann gab es noch die liebe Westverwandtschaft, die uns hin und wieder mit ihren Paketen beglückte. Damit konnte man ein wenig angeben, manche taten dies mit einer absolut lächerlichen Aufgeblasenheit, sie dünkten sich, deshalb etwas Besseres zu sein. Ein paar Lewis-Jeans und der gute Jakobs Krönung gab ihnen zweifelhaftes Selbstbewusstsein und sie schauten auf die anderen armen Würstchen herab, denen dieser Genuss versagt war. Das war aber vor der Wende. Dann war alles plötzlich ganz anders. Das Leben stellte sich auf den Kopf. Alles, einfach alles war käuflich zu haben.

 

 

 


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